Fliegen und Ski
an der Nordhelle!

Nach zwei Wochen Regen und Schneefällen, die uns hier am Rhein im März
schon ungewöhnlich belasten, ist endlich mal wieder  Schön-Wetter  angesagt.
Zwar bitter kalt aber wegen labiler Schichtung und polarer Kaltluft in der Höhe
sogar mit Aussicht auf Winterthermik.

Nordwind heißt hier rund um Bonn leider immer "weit fahren". Das einzige  näher
gelegene Nordgelände Krausberg an der Ahr hat einen Fußballplatz  zum  Landen.
Das würde mir mit Drachen ja reichen, wenn der  nicht  mit  sechs  Flutlicht-Masten
und fast 30 m hohen Pappeln umsäumt wäre.

Nach Norden oder nach Süden fahren ist die Frage. Etliche Fliegerfreunde melden sich
und  wollen  auch  nach  der  langen Pause wieder in die Luft. Ich muss im Labor  vorbei
und  bin  daher  schon  in  Köln.  Deshalb  schlage  ich das Bergische resp. Siegerland vor.

An der Nordhelle hatte ich schon ein paar schöne Gleitflüge.
Ein anderes Gelände, Morsbach, ist ganz neu zugelassen. Der Geländehalter
gibt sich am Telefon zurückhaltend. Auf der Landewiese stehe derzeit ein Festzelt.

Eine Menge Schnee haben wir noch. Für die Nordhelle steht in  der  DHV-Geländedatenbank:
"bei Skibetrieb gilt Flugverbot". Wo erfahre ich, ob noch die Skilifte laufen?  Ich telefoniere wild
herum. Beim örtlichen Drachenfliegerclub ist niemand am Telefon erreichbar. Beim örtlichen Gleit-
schirm fliegerclub auch nicht. Bei der hiesigen Flugschule habe ich beim zweiten  Anlauf  den  Chef
persönlich am Apparat. Doch, es gebe Flugmöglichkeit. Als große Ausnahme und sehr  freundliches
Entgegenkommen der Liftbetreiber, dürfe er mit 10 Flugschülern die obere Hälfte des Hanges nutzen.
Nur die unteren Lifte laufen, die oberen nicht wegen Schneemangel. Wir dürften auch kommen.
Aber es gebe eben Winterflüge, kalt und mit geringen Chancen oben zu bleiben.

Ich kann die Bande der Unerschrockenen überzeugen. Meine Arbeit geht glatt und alle finden sich sich
pünktlich  am  Treffpunkt  ein.  Laura  und  Kai,  Guido und Patrik haben sich - ökologisch vorbildlich -
zu einer Fahrgemeinschaft zusammengeschlossen.

Schon bei der Hinfahrt fällt uns eine erhebliche Ostkomponente im angesagten Nordwind auf –
nicht so gut. Am Gelände Nordhelle ist alles perfekt geregelt. Es gibt einen  Gleitschirmflieger-Parkplatz
und einen für Drachenflieger. Es gibt getrennte Startplätze. Eine Wiese, die auch Aufziehübungen erlaubt,
für die Gleitschirm-Piloten und eine höher gelegene Start-Schneise im Wald für  die  Drachen.  Weil  der
Nordhang selten Sonne bekommt, ist es hier immer kalt. Egal ob Dezember, März oder Juli, immer zahlt
sich eine zusätzliche Schicht Klamotten aus. Trotzdem gibt es hier Locals, die meinen es gäbe hier häufig
gute Thermik. Ich habe bisher noch nie welche erwischt. Mir schwant eher  manchmal,  dieser  Berg  ist
mehr  ein  Übungshang.  Meine ersten Hanglandungen mit dem Drachen habe ich durch Eindübeln in die
Gleitschirm-Landewiese  hier  geübt.  Mit 160 m ist der abfliegbare Höhenunterschied aber schon ganz
ordentlich. Und mit etwas Wind findet man auch mal ein bisschen dynamische Unterstützung. Hier gibt
es wieder eines der zahlreichen Dilemmata der motorlosen Fliegerei. Bei Nord ist  der  Start  aus  der
Drachenschneise möglich, auch bei etwas Nordost. Ist der kleinste Hauch West mit drin, dann bildet
die Waldkante links unterhalb des Starts einen Leewirbel, der schon Drachenflieger übel herunter
gehauen hat. Der Hang oberhalb des Startplatzes trägt aber bei NNW angeblich am besten ...

Schlecht sozialisierte Gleitschirmpiloten, die keine gemeinsame Ausbildung mit Drachenfliegern
genossen haben, sind hier eine echte Gefahr. Man ist total aufgeschmissen, wenn kurz nach dem Start
vorne ein Gleitschirm aufzieht oder startet. Dann kommt das eckige ins runde, falschrum, sehr ungut!
Von einem rückwärts aufziehenden Gleitschirm-Piloten darf man schon erwarten, dass er sich beim
Start-Check auch an den letzten seiner fünf Punkte erinnert: Luftraum frei? Als vor einigen Jahren
hier ein Drachen Pilot über die Schirme flog, hat er gleich zwei bei einer Kollision erwischt.
Drei Verletzte. Das muss aber hier nicht sein, wenn alle die Augen aufhalten.

Von unserem Freitags-Flug am Haardtskopf ist noch mein Windsack in meinem Gurtzeug.
Ich weiß nicht wohin damit, also baue ich ihn als Zierrat an den Turm vom Saphir, just a Joke!
Im Stanwellpark in Australien gilt das als Kennzeichen für einen Anfänger – ein wenig Understate-
ment schadet heute nicht. Heute sind viele Rodler unterhalb der Drachen-Schneise. Guido und Patrik
bitten sie als Startposten kurz zur Seite, als ich starten will. Danke  Ihr  beiden!  Da  kann  ich  leider
nicht ewig auf die nächste Wolke warten, die mich hoch saugen könnte. Andere schaffen das heute
und  fliegen  stundenlang  -  mit dem Gleitschirm. Auf diesem Berg sind die definitiv im Vorteil ...

Ich genieße den langen Abgleiter zur entfernten Drachen-Landewiese
über den gleißenden Schnee. In der unberührten Schneefläche
gelingt mir eine perfekte Landespur.

Nach meinem Flüglein habe ich genug und kehre mit Ski an den Hang zurück.
Auch so herum macht es Spaß: erst fliegen, dann Skifahren. Meinen Fliegerfreunden,
die mir schon so oft in die Luft geholfen haben, fahre ich mit dem Skilift die Gleitschirme hoch.
So kommt jeder zu zwei bis drei Flügen. Und wir alle haben unseren Spaß.

Auf der Heimfahrt spare ich Kilometer und fahre übers Land heimwärts. Nicht nur zufällig
komme ich in Morsbach vorbei. Da haben wir heute nichts verpasst. Die Landewiese ist klein
und mit einem Lattenzaun umgeben. Zum Startplatz am Aussichts-Turm kann man den Flieger
nicht mit dem Auto transportieren. Nicht sehr einladend für den älteren Herrn mit Drachen ...
Vielleicht an einem anderen Tag ...

WinDfried (Sonntag, 12. März 2006)