Hangie's Revenge
oder
Die Rache des Drache ...
Schon häufiger habe ich von Gleitschirm-Fliegern mit stolzgeschwelltem Kamm
selbstgeschossene Flugfotos präsentiert bekommen, auf denen man nur die dreckigen
oder wahlweise schneebestäubten Stiefel vor einer unsignifikanten, weil unscharfen Landschaft
ohne besondere Geländemarken sieht. Vielleicht das ganze noch garniert mit einem Ausschnitt
des Variodisplays, der bekanntermaßen leicht zu fälschen ist und uneindeutig,
weil mal am Landeplatz auf Null gestellt wird, mal auf Seehöhe ...
Hier ist meine Antwort:
Meine mehr oder weniger
sauberen Stiefel mit Vario
vor wenig signifikanter Land-
schaft. Fast alles, was mit
dem Schirm geht, geht auch
mit dem richtigen Drachen ;-)
Besonders wenn es ein derartiges Omafliegen ist, wie heute im laminaren Westwind
an dem Gelände, das Kenner und Feinschmecker natürlich doch längst erkannt haben.

Der Ölberg bei Schriesheim ist ein ideales altgedientes Drachenfluggelände, das heutzutage
meistens von Gleitschirmfliegern überrannt wird. Werbung verträgt der Berg deshalb nicht.
Die vielen Schirmflieger haben
allerdings den Vorteil gebracht,
dass sich Verbesserungen an der
Infrastruktur lohnen. Der Startplatz
(Klippe in Waldschneise) ist sauber
aufgeräumt. Ein Vereins-Shuttle-Bus
fährt alle hoch, so dass keine Privat-
Autos auf dem rumpeligen Waldweg
kaputt gefahren werden müssen. Dafür
löhne ich gerne billige vier Euro Start-
gebühr. Die klassische Triade "Berg,
Monument, Gewässer" ist hier verdop-
pelt: zwei Burgen liegen zu Füßen des
Berges, Rhein und Neckar sind im
Panorama. Der Melibokus ist das
nächste Drachenflug-Gelände, erreich-
bar für nervenstarke Streckenflieger.
Heute höre ich am Landeplatz wieder die beiden
Standard-Statements von den Gleitschirm-Kameraden:
"Das Drachenfliegen stirbt sowieso bald aus."
Und: "Zum Fliegen ist zu viel Wind."

Beides wendet sich ins Gegenteil.
Mit mindestens einem Dutzend Drachen
bevölkern wir wenig später Startplatz und Himmel.

Fröhliche Piloten, die meisten jünger als ich,
verklickern mir, wie der Start nach Nordwest funktioniert,
in diesem Gelände, das bei Westsüdwest optimal angeströmt ist.

Startüberhöhung bekommt man nach dem Sturz über die steile Rampe fast automatisch.
Im Luftraum ist viel Platz, weil etliche heimische Drachenflieger sich einen Ausflug zum Heidelberger Schloss
oder nach Norden gönnen. Zum ersten Mal bekomme ich hier das Gefühl, mit dem Saphir 17 zu wenig Leistung zu haben.
Jedenfalls traue ich mich nicht weiter als ein paar Kilometer vom Ölberg weg, um sicher wieder zurück zu kommen.
Man fliegt hier viel über dicht besiedeltem Gebiet. Dumpfbacken-Außenlander können aus dem fruchtbaren Land auswählen
zwischen Obstplantagen, Weinbergen, Gemüsefeldern oder Tabak-Pflanzungen um den Flurschaden maximal zu gestalten.
Mein bescheidenes sportliches Ziel
für den Erstflug hier ist schon nach
wenigen Minuten erreicht. Ich wollte
nur einen Blick von oben in den
Steinbruch nördlich des Startplatzes
werfen, der von der A5 aus schon
sichtbar ist. Dort wird geklettert.
Skurril ist der direkte Blick auf die Landebahn eines Sportflughafens.
Die Einflugschneise führt tatsächlich genau über den Drachenstartplatz,
zwischen den beiden Burgen am Fuß des Berges hindurch. Ein plausibler
Grund für die Beschränkung auf maximal 300 m Startüberhöhung.
Und ein starker Motivator bei guten Bedingungen doch weg zu fliegen.
Auch von den erlaubten 570 m über dem Landeplatz herab ist der Blick
in die oberrheinische Tiefebene bis hinüber zum Pfälzer Wald ein Genuss.

Meine Landung auf dem etwas engen Landeplatz bekomme ich
von einem besonders netten Fliegerkameraden im Nachgang sogar
auf Video, Danke Mark E.! Erst kurz vor Sonnenuntergang färbt sich
der Himmel noch bunt mit ein paar unverzagten Gleitschirmfliegern.
WinDfried
(Samstag 7.7.07)