Mitte November. Bis Mitte Februar kommt nun die dunkle Zeit für uns Flugsportler. Der Tag hat  kaum noch neun Stunden Helligkeit. Das bietet wenig Zeit für die fröhlichen kleinen Flüge zwischendurch. Mal wieder habe ich ein Wochenende mit Arbeitseinsatz. Der Kollege, der dran wäre, ist schwer erkältet und gehört ins Bett, nicht ins Labor, wenigstens nicht am Wochenende.

Das näher rückende Tief bringt mein Barometer zum Sturzflug, und zum blinkern: Sturmwarnung! Vorerst beschert uns diese Lage einen  knackigen  Südwind. Freie  Auswahl  bei  den  Flugbergen!  Im  Meteogramm von windfinder.com habe
ich gesehen, dass der Wind heute Nachmittag abflauen soll. Ich stehe früh auf und
mache  mich  zügig  zum Finkenberg. Ich will die Zeit nicht mit Auf- und Abbauen
verbringen, darum habe ich mal wieder meinen frisch gecheckten Impuls gegriffen.

In der Morgenfrische starte ich in den bockigen Südwind. Sogar die Sonne blinzelt
durch. Fürs frühe Aufstehen werde ich mit einem wilden Ritt über der ganzen Länge
der  Soaringkante  über  dem  Wiedtal  bei  Rossbach   belohnt.   (An  Fotografieren
im  Flug  ist  hier  nicht  zu  denken.  Schon der Versuch würde heute sofort am Boden
oder in den Bäumen enden.)  Am Landeplatz dreht ständig der Wind. Auf der Mitte des
Gegenanflugs  muss  ich  mich  noch  schnell  zur  entgegen gesetzten Landerichtung ument-
scheiden. Dafür reicht der Platz hier zum Glück, auch wenn ich dem Fluß ziemlich nah komme.

Nicht ganz bin ich fertig mit Abbauen, da klingelt mein Handy. Guido meldet sich.
Er hat meinen Flug gesehen. Stimmt ja, einige fleißige Kollegen sitzen mit angereistem Fluglehrer
im Hotel "Zur Post" und büffeln B-Schein Theorie - bei fliegbarem Wetter! Poor Boys! Ich gehe
vorbei, hallo sagen, rechtzeitig zur Pause. Guido bietet an, mich zum Start zurück zu fahren.
Das ist super nett, Vielen Dank! So komme ich rechtzeitig zum Wochenend-Einsatz,
und bin vom Raufrennen nicht schon völlig erledigt.

In Köln die Arbeit fluppt auch sauber.
Der Drachen auf dem Autodach
grinst mich noch immer an.

So düse ich zu dem von Köln aus nächstgelegenen Flugberg.
Das  ist  die  Stachelhardt. Das nächste Dorf heißt Honscheid,
beim Landeplatz das Dorf heißt Bülgenauel. Trotzdem sprechen
manche  Nichtlandkartenleser  NurGPSOrientierer  fälschlich
von Eitorf oder Hennef, wenn sie zu diesem Flugberg wollen.

Der Delta-Club Rheinland hält und befliegt dieses Gelände
schon seit den Pionierzeiten des Drachenfliegens. Trotz des nahe-
gelegenen  Flughafens  CGN wird hier immer noch Flugsport betrieben.
Das  Flüsschen  Sieg  beschreibt  hier  eine fast kreisrunde Schleife. Deren
Außenseite bildet einen Kessel in dem der Südwind sich richtig sammeln kann.
Leider  verfälscht  der  Kanalisierungseffekt  des  nahen  Rheintals  hier  oft die
Windrichtung am Boden. Ich habe hier dieses Jahr gerade mal drei Tage erlebt,
an denen es richtig gut zu fliegen ging. Die 130 m Höhe zum riesigen Landeplatz
habe   ich   viel   häufiger   für   Winterflüge   bzw.   Trainings-Abgleiter  genutzt.

Viele  Legenden  gibt  es  über  dieses  Fluggelände.  Hier hat es viele Baumlan-
dungen gegeben, auch schon tödliche Unfälle, aber auch 100 km-Streckenflüge.
Eigentlich  steht  hier  eine  optimale Naturrampe. Allerdings stehen die Bäume
so nah links und rechts, dass sie bei Seite gleich Leewirbel bilden. Besonders
für  Gleitschirme  ist  das  heikel.  Trotzdem  fliegen  die  hier   auch   häufig.
Wenn  es  für  Drachen  zu  schwach  ist, geht es schon gut mit Gleitschirm.
Wenn die Drachen richtig gut fliegen können, ist es für Gleitschirme meis-
tens schon zu heftig. So hatte ich auch hier schon mal das "Vergnügen",
bei  einer  Gleitschirm-Bergung  aus  den Baumwipfeln dabei zu sein.

Auch  heute  ist  die   Windsituation   mysteriös.
Obwohl die Wolken von Süden heran ziehen,
kommt der Wind von links hinten, Nordost.
Zwei   andere   Drachenflieger   sind   da,
fahren aber ohne aufzubauen wieder weg.

Ich spaziere rum, kann mich nicht zum Aufbauen
entschließen.   Aber   auch   nicht  zum  Abhauen.
Einzelne  Phasen  mit  45°  Seitenwind  von  vorne
sind  schon  dabei.  Leider  rückt  auch der Sonnen-
untergang näher. Also baue ich doch noch schnell auf.
Ältere  erfahrene  Piloten erzählen mir immer wieder:
Um  Sunset  ändert  sich  oft  noch  mal  der  Wind.
Naja,  mir  schläft  er  meistens ein. Nicht so heute.
Da  kommt  noch  mal  eine  frische  Brise von links
vorne  auf.  Ich starte mit Seitenwind kurz vor Sunset.
Mit Hoffnung auf Aufwind brettere ich mit Rückenwind
direkt  zur  nach  Ost  ausgerichteten  Seite  des Kessels.
Aber  als  ich  ankomme,  habe  ich  schon  zu  viel  Höhe
verloren,  um  hier  noch  was  zu  reißen, und gehe landen.
Mal wieder ein Zwei-Minuten-Abgleiter. Aber zwei Flüge
in zwei verschiedenen Fluggeländen, an einem Tag. Das ist
nicht  schlecht  für  einen  Spätherbst-Tag im November.

Zur Strafe für meinen Übermut muss ich im Mondschein abbauen.
Wenigstens   habe   ich   an   eine    Taschenlampe    gedacht.
Auch  weil  ich  mir  bei  der  anschließenden Wanderung
zurück  zum  Start  in  der  Dämmerung nicht den Fuß
brechen will. Damit beleuchte ich die Anströmkante
und meinen Windspion, um ein Foto zu schießen.

Lichtquellen gibt es an diesem Abend dann aber ungewöhnlich viele.
Etliche Kinder sind mit Laternen unterwegs. Sogar ein Glascontainer in Merten bekommt  mit  Illumination  seine  eigene  Ästhetik. In vielen Dörfern brennen
St.-Martins-Feuer.  Nicht  mal  die  Brand-Thermik  schafft  es  heute hoch.
Der  Rauch  prallt  etwa  30  m über Grund an der Talinversion ab und füllt
das ganze Tal. Herzliche Grüße an alle Drachenpiloten mit Namen Martin!
WinDfried (Samstag 12.11.2005)