Maischnee – gut zum Drachenschrubben

Nur Kenner und Feinschmecker können auf diesem Bild den abgelichteten Berg erkennen. Er hüllt sich wie so oft in Wolken. Nur der königsblaue See darunter gibt den entscheidenden Hinweis. Kinder der 80er Jahre erinnern sich. Der Watzmann ruft war damals Kult. Kultig ist das Musical auch heute noch. Und absolut Kult ist der Watzmann himself. Als Twen war ich noch fit, bin vom Berchtesgadener Bahnhof raufgelaufen und habe am Gipfel übernachtet.
Heute hat mich der Traum hergetrieben, mit dem Drachen über seinem Gipfel meine Kreise zu ziehen.
Als erstes Abenteuer gilt es die Bergfahrt mit der Jennerbahn zu überstehen. Die Sessel für Drachenflieger stehen quer zur Fahrtrichtung. Der Drachen wird auf dem Schoß gehalten. Unten ist es sommerlich warm. Oben aber liegt satt Schnee, von den Niederschlägen gestern am Himmelfahrts-Tag. Immerhin sind die Seilbahn-Mitarbeiter alle super nett und hilfsbereit, erfreut mal wieder einen Drachenflieger zu sehen, der die sorgfältig gepflegte Rampe neben der Gipfelstation nutzt. Ich bin früh dran, um 11 schon fertig mit Aufbauen. Den nassen Schnee nutze ich, um den Winterdreck vom Segel des Saphir zu schrubben.
Ein Gleitschirm-Pilot ist da, der hier auch schon 100 mal mit seinem Drachen geflogen ist. Von ihm erhalte ich wertvolle Tipps. Eine unscheinbare Alm rechts vor dem Startplatz biete die zuverlässigste Thermikquelle. Beim Abfliegen der Felswände von Schneibstein und Hohem Göll auf die Leefallen achten. Der beste Drachen-Landeplatz liegt weit weg an einer Straßenkreuzung mit einem Baum in der Mitte. Er sei aber nicht schwierig zu erreichen. Kein Kunststück, bietet der Jenner-Startplatz doch die respektable Höhe von fast 1200 m zum Abfliegen.
Erstmal bin ich zögerlich. Super Wolken ziehen vorbei. Leider ist die Basis kaum höher, als der Start. Die Gipfel der Bergwelt verschwinden immer wieder im Nebel. Aber mit jeder Viertelstunde, die ich rumtrödele, steigt die Basis an.
Weil mir der Wind fast soarbar vorkommt, starte ich dann um 1 - immer noch früh für einen Nordstartplatz. Der Hangaufwind trägt zwar nicht. Aber die Idiotenpumpe, auf die ich den Hinweis hatte, zieht bis zur Basis. Ich genieße eine Weile die entzückende Aussicht auf Watzmann, Königssee und die liegende Hexe. Dann werde ich unternehmungslustig und fliege an Wolkenbasis und Felswand entlang rüber zum Kehlsteinhaus.
Leider komme ich nur auf Terrassenhöhe an. Obwohl die Flanke voll im Sonnenschein liegt finde ich bloß einen schwächlichen Bart, der ein bisschen Überhöhung bringt.
Eigentlich ginge hier die Runde um den Talkessel zur Luvseite des Watzmann weiter. Mir ist das aber nicht genug Abflughöhe. Immerhin kann ich auf die Nazi-Monumente Obersalzberg und Kehlsteinhaus herunter spucken. Noch heute pilgern alte und neue Nazis da hin. Für mich war das immer ein Grund den Besuch zu verweigern. Aber von oben ist es schon ok. Vielleicht male ich doch noch mal Hammer und Sichel auf mein rotes Segel ...
Zurück über der Alm zieht mein Einstiegsbart noch immer. Leider sehe ich keinen Gleitschirm in der Luft. Der Kollege hat anscheinend verzichtet. Über den Königssee genehmige ich mir auch noch einen Abstecher.
Über dem Landeplatz steht dann auch noch ein Bärtchen, das ich ein Weilchen mit nehme. Als ich mit Abbauen fertig bin, komm genau passend ein Bus, der mich zur Talstation zurückbringt.
Hier war ich nicht zum letzten Mal !
WinDfried (Freitag 18. Mai 2007)