Föhn-Sturm über Mallorca

Ostern liegt dieses Jahr einfach zu früh im Kalender. Eine fette Blase voll polarer Kaltluft schwappt über ganz Mitteleuropa und bringt den Märzwinter. WinDfried hat mal wieder Zeit zum Fliegen und Fluchtgedanken.
Möglichst weit südwestlich von Deutschland schätze ich die Flugchancen am besten ein. Für das Drachenflieger-Paradies Lanzarote gibt es keine Flugtickets und Unterkünfte mehr, zumindest nicht im bezahlbaren dreistelligen Preissegment. Andere waren schneller so schlau, im ewigen Frühling auf den Kanaren den Osterurlaub zu genießen.
Bei schlechtem Wetter in heimischen Gefilden flüchten viele deutsche Flugsportler auf die Südseite der Alpen.
Dort stürzen Sie sich dann bei Bora, Nordföhn, Bise oder Mistral in den blauen Himmel, wenn einheimische Piloten schön am Boden bleiben. Beidem hoffe ich auf Mallorca zu entgehen, aber erstmal sollte es anders kommen.
Auf Mallorca ist immer etwas frei. Flüge, Unterkünfte, Mietautos sind auch kurzfristig verfügbar. 95 % der deutschen Touristen bekommen hier maximal 5 % der Insel zu sehen.
Als Fliegerparadies ist die Insel nicht bekannt. Dabei gibt es zwei Bergketten, mit Gipfeln bis 1400m über dem nahen Meer. Das gönne ich mir.
In einschlägigen Foren findet man überwiegend Berichte von frustrierten Gleitschirmfliegern. Ein aktiver Drachenflieger-Club jedoch beschreibt detailliert fünf geniale Drachen-Startplätze, von denen vier mit Rampen ausgestattet sind.
Als ich Ostersonntag ankomme, regnet es erstmal. Die Kaltfront schmückt die Berge sogar mit Schneemützen, aber die restliche Insel ist quietschgrün. Die Vegetation ist in der gelben Phase. Ginster, Butterblumen und diverse mediterrane Botanik blüht üppig, Frühling eben.
Am Ostermontag dann orgelt der Sturm über die Bucht. Witzig, hier kommt der „Föhn“ erst nach der Kaltfront, bei „Rückseite brutal“. Das Hauptgebirge (Sierra da Tramuntana) verläuft von Südwest nach Nordost. Seine Front steht nach Nordwest zum offenen Meer. Erst nach dem Windsprung von SW auf NW in der Kaltfront wird es frontal überströmt. Dieser Wind (deutsche Residenten nennen ihn „Mistral“, obwohl er nicht aus dem Rhonetal kommt) ist nicht unwillkommen. Er ist kühl und frisch, aber insbesondere ist er trocken, was die sonst allgegenwärtige Feuchtigkeit und Schwüle für ein paar Stunden vertreibt. Zum Fliegen ist er mir zu stark. Ortsfeste Wellenwolken, richtige Lentis bekomme ich vor die Linse. Auch von einer Sekundär-zeitweise sogar von einer Tertiär-Welle. Die Cumuli fahren wie Boote tief da drunter durch.
Ich vergnüge mich damit die Drachen-Startplätze zu erwandern. Die schönste Rampe finde ich über Puerto de Pollensa. Sie ist in der ortsüblichen Trockenmauer-Technik gebaut. Sehr landschaftsschonend fällt sie gar nicht auf. Die alte Holzrampe war wohl schnell verrottet. Ihre Überreste liegen noch in der Nähe. Leider wird es während meines Aufenthalts wohl keinen Wind aus SO für diesen schönen Startplatz geben. Dafür bekommt mein trübes Auge jenseits der Bucht von Pollensa waschechtes Alpenglühen zu sehen.
Auch mit Gleitschirmen startbar ist von allen nur der St. Martins-Hügel über Puerto de Alcudia. Da ist eine Teerstraße hinter der Rampe, wo ein Schirm ausgelegt werden kann. Ansonsten wächst hinter den Startplätzen, wie auch auf den Landeplätzen mediterrane Vegetation. Dornen zum Tuchzerstechen, scharfkantige Blätter zum Leinen zerschneiden. Mit dem Drachen kein Problem, der steht beim Aufbau auf seinen drei Beinen.
Oh, mit Gleitschirmen wird schon auch geflogen auf „Malle“. Zwei Gleitschirmschulen machen Kohle, aber ihre Schulungsgelände nicht transparent. Am Puig de Rois und am Puig de Randa (beide ausgelobt auf paragliding365.com) fliegen Süchtige auf Entzug. Beide Hügel liegen direkt im Einflugbereich für PMI, einen der aktivsten Verkehrsflughäfen Europas. Gleitschirme in der CTR kümmern dort keinen, privates Risiko.
Dank der freundlichen Hilfe von zwei einheimischen Drachenfliegern (kein Deutsch, kein Englisch) bekomme ich am Dienstag Einweisungen in zwei viel versprechende Gelände und ab dann tatsächlich jeden Tag in die Luft. Die Luft-Bilder sind über der Eremitage von Betlem entstanden. Gracias Paco, Gracias David !
Das ist fliegen wie zu Hause. Zwei- oder 300 m über dem Landeplatz starten, eine kurze oder lange Weile Herumsoaren, Landen und wieder rauflaufen, das Auto holen. Sportlich.
Gut dass ich einen 2-m-Kurzpack-Bergsteiger-Drachen habe. Den nehme ich auf jeden Fall nächstes Mal wieder mit.
Übrigens, die Drachen-Höhle (Cuevas del Drac, Tropfsteine, bunt beleuchtet), eine kitschige Touristenfalle, habe ich mir beim Sightseeing gespart.
WinDfried (Ostermontag, 24. März 2008)