Ein Tag mit kleinen Unglücken

Meinen turmlosen „Mr. Humblebee“ will ich mal öfter fliegen. Er war frisch beim Check. Irgendwie habe ich seither nach jedem Flugtag damit etwas reparieren, austauschen oder neu einstellen müssen. Zuletzt war es ein abgebrochener Karbon-Randbogen.
Mir fehlt wohl die Übung. Die bekomme ich am besten in Hinterweiler. Leichter Nordostwind ist angesagt. Den finde ich über der Hocheifel reichlich frisch und er kommt außerdem südöstlich quer zur Startbahn. Viele Piloten sind da. Einer hat einen Startversuch vorgeführt, der die anderen in die Reserve getrieben hat. Viel Zeit zum Geschichten Erzählen. Die ersten brechen Richtung Neumagen auf. Das kommt mir auch aussichtsreicher vor, und daher gondele ich hinterher.
In Neumagen angekommen, ist der Himmel schon voller Drachen. Alle Parkplätze und alle Aufbauplätze sind belegt. Manche starten nicht, weil der Wind zu schwach ist, andere weil er zu stark sei.
Viele fröhliche Drachenflieger treffe ich auch hier wieder. Keine Spur von „Aussterben“ bei unserer Sportart. Einer ganz jungen Pilotin kündige ich an, dass ich Flugfotos von ihr schießen will. Erstmal ist Diplomatie gefordert, um Platz zum Aufbauen frei zu bekommen. Als ich den Flügel zu- sammengepuzzelt habe, ist die erste Schlange vor der Rampe weg. Eine Drachenwolke verteilt sich über der ganzen weiten Soaringkante. Also zaudere ich nicht lange herum und starte auch mit freundlicher Hilfe.
Über der ganzen Kante trägt es. Aber thermisch geht es nur an einer Stelle etwas höher hinauf. Dort drängelt sich das Flügelvolk am dichtesten. Eine sehr nahe Begegnung habe ich, mit entsprechend hohem Adrenalin-Ausstoß. Dafür kann ich viele Drachen aus der Nähe knipsen. Dann kreuze ich lieber tiefer an abgelegenen Ecken herum.
Das Wasserflugzeug, das man häufiger an der Mosel sieht, kommt auf unserer Höhe vorbei und bestaunt das Gewimmel. Der Pilot grüßt durch Wackeln mit den Tragflächen.
Ein Flieger bekommt einen schlechten Start und beendet seinen Flug Sekunden später nach einem U-Turn in den Bäumen unter der Rampe. Kein Krankenwagen, kein Hubschrauber kommt. Er hat sich dabei of- fenbar nicht verletzt. Zum Glück. Bei der Bergung des Flügels schieße ich aus der Luft ein Foto. Viel später kommt eine Polizeistreife, ohne Blaulicht.
Der Landewind ist heute ungewöhnlich. Er kommt genau aus Osten, quer zum Landeplatz. Der ist auch dafür groß genug - über die Diagonale. Ein Nasensporndrachen tut etwas, wovor bei jeder Geländebesprechung hier dringend gewarnt wird. Der Imperativ ist fast allgemeingültig: „Lande-Einteilung komplett über Land. Flieg nicht hinter die Bäume, flieg nicht über das Wasser, meide die Bundesstrasse“.
Munter baut er mit Wingovers über der Mosel seine Höhe ab. Seinen Endanflug habe ich abgelichtet. Was folgt, killt sein Vario und sein Handy. Genug andere Drachenpiloten springen von der Landewiese ins Wasser und ziehen ihn schnell heraus.
Aus „Angst vor der Landung“ fliege ich drei Stunden. Dann ist gar kein Wind mehr am Landeplatz. Ich beobachte wie der Schatten des „Fuchsberges“ über die Mosel kriecht. Die Sage vom Moselwunder verspricht das Einsetzen von Umkehrthermik, wenn der Schatten das andere Ufer erreicht. Ich pokere hoch, fliege weit vor über die von der Sonne aufgeheizten Weinberge und finde - nichts.
Mein Landeanflug verläuft unspektakulär. Dass ich weit zum Abbauplatz laufen muss, ist mir egal. Es bringt die Durchblutung in die Beine zurück, nach dem langen Flug. Ohne Reparatur kann ich diesmal den Packsack über dem Flügel schließen, dankbar.
WinDfried (Sonntag, 4. Mai 2008)