Der angeblich verregnete Sommer 2005 war von der  Flugausbeute  bisher  schon  nicht  so  schlecht. Nun kommt ein goldener Herbst. Wenn die Thermik schwächelt,  kommt  die  Zeit  der langen Flüge - im Hangaufwind.  Dem  Drachenflieger  hat  das außer-
alpine  Deutschland  da viel zu bieten. Bei kräftigem Südwind,  wenn  in  den  Alpen   sich   die   Flieger-
kameraden  wegen  Föhn  mopsen,  oder  im  "flieg-
baren  Föhn" ihre Knochen riskieren, geht es in den deutschen  Mittelgebirgen  so  richtig  gut in die Luft.
Die Liebe zieht mich nach Niedersachsen. Die nördlichste Bergkette vor der norddeutschen Tiefebene ist das Wiehengebirge  [Stimmt, hier ist noch NRW  ;-)  aber die Grenze ist nah]. Hier bei Porta Wesfalica unterhält der lokale Drachenflieger-Club einen riesigen Landeplatz und eine luxuriöse Startrampe auf geschichtsträchtigem Grund.
Ohne die Rampe käme man hier nicht über die Bäume. Nette und sachkundige Starthelfer sind  immer  vor Ort. Da bezahle ich gerne die 8 €  Startgebühr. Wenn Südwind mit mehr als 20  km / h  schön  laminar  über  den  Weser-
bogen anweht, kann man hier stundenlang im Hangaufwind  spazieren  fliegen. Über den ersten 5 km des über 50 km langen Berg-
rücken können sich viele Flieger verteilen.

Schon  gestern  habe  ich  mir das auf den Wetterkarten    voll    froher     Erwartung angeschaut. Wettervorhersagen treffen hier "im Norden" meistens auch ein. Heute kann ich    sogar    meinen    Schatz    überreden, mitzukommen.  Sie  will  ihre neue Kamera ausprobieren. Das Wetter ist ein  bisschen diesig,  aber  der  Wind  passt  bestens.
Die Herbstfärbung macht schon die
Anfahrt zum Landschaftsgenuss.

Natürlich treffe ich auch alle "lokal heroes". Martin B. ist total happy mit seinem Laminar Eazy (gekauft am Tegelberg). Andi B., von dem ich mein Vario habe, fliegt jetzt Aeros Combat. Peer und Sven können jeden mit ihrer Begeisterung anstecken. Fluglehrer Peter Bork hat mich schon letztes Jahr mit guten Tips versorgt und auch seinen Teil zu meinem B-Schein beigetragen. Danke, Danke ! Letzes Jahr hatte ich hier meinen längsten Flug überhaupt (3h 47 min).

Heute ist für besondere Action gesorgt. Das hört man schon beim Aufbauen am Startplatz. Alle paar Minuten pfeift ein Segelflieger vorbei. Der Segelflieger-Club Minden hat die ganze Republik zu seiner Hangflugwoche eingeladen. Über zwei Dutzend sind gleichzeitig in der Luft. Teilweise kommen sie mir zu dritt übereinander entgegen. Zum Glück sind hier nicht auch noch Gleitschirme in dem Gewimmel unterwegs. (Für Gleitschirm-Flieger gibt es 20 km weiter westlich, bei Schnathorst eine Möglichkeit in den Hangaufwind des Wiehengebirges zu kommen).

Beim  Fliegen  pendelt  sich  das  Ganze  dann  so  ein, dass die Drachen langsam und oben fliegen. Die Segelflieger pfeifen unter uns durch.
Man hat Sichtkontakt. Alle halten sich an die Ausweichregeln. Und alle haben Ihren Spaß. Es ist schon beeindruckend, wie nah manche der PPL-Piloten ihre 30.000 € Geräte an die Waldkante heran manövrieren. Noch beeindruckender ist es, wenn sie über dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal "Männchen machen" und mit einer Spitzkehre wenden, zurück ins Aufwindband. Davon gelingt mir leider kein Schnappschuss.
Beim Hangaufwind-Fliegen gibt es hier kaum noch Unterschiede zwischen Hochleister- und "Anfänger-" Drachen.  Wenn  "es  fliegt",  fliegt alles. Na klar kurbeln mich die Locals aus. Die kennen hier jede Scharte, wo es besonders gut trägt. Aber ich schaue aus meinem Impuls auch immer  wieder  von  oben  auf  turmlose  Renn-
orchideen und Starrflügler. Schließlich habe ich vier  Quadratmeter  mehr  Fläche im Aufwind.

Im  Laufe  des  Nachmittags  wird  der Wind schwächer und ich saufe ab. Bloß, wen stört das  noch  nach  fast  zwei Stunden Airtime?

Anschließend  gibt´s  bei   den   Portanern Grillwürstchen.  Eine  sehr nette und gast-
freundliche  Fliegergemeinschaft ist das in diesem Verein. Auch  UL-Schlepp  wird manchmal angeboten.  Die  ganz  Harten
hier  planen,  im  Hangar  am Landeplatz
zu  übernachten  und  am Morgen in den Sonnenaufgang zu starten. So früh kom-
me  ich  sicherlich  nicht aus dem Bett.
Aber der Gedanke reizt doch sehr!

Für einen Kinobesuch am Abend
bleibt heute auch noch genug Zeit.

WinDfried (Samstag 8.10.2005)