Osterrunde 2009

„Fliegen wo es geht.“ Das ist die Strategie, die ich für dieses Jahr Ostern ausprobieren will. Ein Tief über der Adria, ein weiteres über Südfrankreich ein drittes über Dänemark nehmen Westmitteleuropa in die Zange. Das sorgt für abwechslungsreiches Wetter.
Gemütlich in einem Fliegerparadies unterzuschlüpfen und zu „Fliegen, wann es geht“ hat Ostern 2007 und auch in Laragne geklappt. Diesmal müsste ich dazu weiter nach Osten, also Greifenburg. Dort trampelt sich die Liga und ein Großteil der sonstigen deutschsprachigen Drachenszene gegenseitig auf den Flügelspitzen herum. Wer mich kennt, weiß wie sehr ich Massenaufmärsche hasse. Der Rest der Bande drängelt sich in Bassano – mir zu weit.
Ich eröffne die Runde am Ostermontag nach gemütlichem Frühstück mit der Fahrt zum Tegelberg. Auf leeren Autobahnen komme ich überraschend zügig voran. Ich treffe lange vor der letzten Gondel ein und bekomme einen knusprigen Flug.
Der Vertigo muss zum Austausch eines ausgefetzten Reißverschluss ins Zillertal. Das passt gut, der Wind soll auf Ost drehen. Den Vogel werfe ich in der Werkstatt mit dem perfekten Service ab und brezele weiter an die Penkenbahn. Dort kaufe ich ein Gleitschirmflieger-Ticket und bekomme eine astreine Bergfahrt mit dem Funfex.
Gut, dass ich den schon zu Hause auf 2 m kurz gepackt habe, als „Stangen- Gleitschirm“. Am perfekt präparierten Startplatz werde ich vom örtlichen Flugschulbetreiber und etlichen ehemaligen Drachen-, inzwischen aus Altersgründen Gleitschirm-Piloten zu meinem praktischen Vögelchen beglückwünscht. Danke, aber das braucht es gar nicht.
Das Fliegerglück kommt von allein bei zwei Stunden Spazieren fliegen über den hübschen Skigebieten des Zillertal. Beim Versuch die Talseite zu wechseln, versenke ich mich dann leider etwas verfrüht.
Ich frage bei der Ahorn-Bahn nach einer Bergfahrt zu einem Abend- Flüglein. Die ist neu eingerichtet. Die Gondel ist groß, wie ein Tanzsaal. 10 lang gepackte Wettkampfdrachen würden mühelos hinein passen. Allerdings weiß dort die eine Hand nicht, was die andere tut. Die Dame an der Kasse ruft ihre Kollegin in der Bergstation an. Die gibt ihr o. k. und ich kaufe eine Karte. Der Gondelfahrer hat wohl Angst, er müsste irgendwie helfen und ruft den Betriebsleiter an. Der liefert die saudumme Ausrede, man hätte noch keine Genehmigung zum Transport von Drachen. Und im Winter bei Skibetrieb ginge es schon gar nicht.
Mit zwei anderen Skifahrern fahre ich doch hinauf und schaue mir die Gegebenheiten wenigstens an. Die geplante Drachenrampe ist noch nicht erkennbar. Aber der Gleitschirmstartplatz einige Meter über Station und Skipiste ist sogar schon frei von Schnee. Perfekt natürlich auch für Drachenflieger. Es hätte so schön sein können.
In der Flugschule hinterlasse ich die Nachricht, die Ahornbahn hätte einen zahlungswilligen Gast aus dem Zillertal vertrieben. Dort muss man noch einiges kapieren. Dann hat der Ahorn Potential zu einem neuen Drachenflug-Hotspot aufzusteigen.
Der Wind dreht sowieso auf Süd. Ich hüpfe über den Gerlos-Pass an den Wildkogel. Inzwischen wieder mit zwei intakten Fliegern.
Natürlich brenne ich darauf, den frisch getunten Vertigo zu fliegen. Man entschuldigt sich freundlich. Leider können im Winter nur Drachen bis zur Packlänge von 4 m befördert werden. Der Abstand der Gondeln sei bei Skibetrieb zu dicht, Gefahr den Drachen zu beschädigen beim Durchfahren der Mittelstation. Das ist mal ein akzeptabler Grund.
Dafür muss man hier nicht ewig, nervig auf eine Transportgondel warten. Die hängt in der Talstation bereit und wird nach Beladen in aller Ruhe in das Seil gehängt. Wieder zahlt sich der Fexi als Zweitflügel aus. Dieser freundliche Berg wird mich öfter sehen ! Man verlangt hier auch keine unverschämten Mondpreise, wie an der Schmittenhöhe, doch dazu später.
Mehrere Stunden kann ich über dem Wildkogel herum soaren und genieße das atemberaubende Panorama auf den Großen Rettenstein, sowie Großvenediger und die anderen Tauern. Dauernd habe ich den Blick Richtung Pinzgauer Spaziergang. Aber ich traue mich nicht über den Pass Thurn, die Schlüsselstelle gleich zu Anfang. Rüber würde ich wohl mit Rückenwind kommen, aber womöglich nicht zurück. Andere trauen sich schon. Ich bekomme Besuch von zwei Gleitschirmen mit Alu-Design. Die beiden kommen auch zu ihrem Ausgangspunkt zurück, wie ich später im dhv-xc sehe, trotz des Kommentars „vuizvui Wind“. Ich lande neben meinem Auto und freue mich am Sonnenuntergang.
Nach Übernachtung in Zell am See will ich mein Glück an der Schmittenhöhe versuchen. Vormittags könnte noch etwas gehen, bevor das Schlechtwetter von Westen hereindrückt. Aber man befördert hier erst ab 16. Mai wieder Drachen. Im Winterhalbjahr läuft die Gondelbahn nicht, sondern so eine insuffiziente Minigondel. Verflixt. Als Zahl-Meister im Sommer sind wir willkommen, aber wenn man Euch bräuchte ...
Jetzt heißt es improvisieren. Flucht-Richtung Osten. Die Bischlingbahn in Werfenweng habe ich als drachenfreundlich und dienstbereit kennen gelernt. Durch den Pongau dort hingejagt, schaue ich auf grüne Wiesen und eine stehende Seilbahn. Einen Achtungspunkt für Freundlichkeit erlangt der Ort doch noch: Eine ältere Dame wienert mit Eimer und Putzlappen das Kassenhäuschen. Sie kennt sich aus und berät mich freundlich. Am Fulseck bräuchte ich es nicht versuchen, dafür gäbe es eine Föhnwarnung. Eher Richtung Schladming.
Vielen Dank, Recht hat sie. Die Planai ist zwar der falsche Tipp, aber mir fällt der Stoderzinken ein. Dort kann man mit dem Auto herauffahren. Weitere Kilometer dem Sauwetter voraus, komme ich an. So ein sinnleeres rundes Schild mit rotem Rand an der Stoder-Alpenstraße lasse ich nicht in mein Bewusstsein, sondern heize hinauf.
Den Fexi trage ich leicht den letzten Kilometer vom Parkplatz zur Drachenrampe am Friedenskircherl. Die ist sogar schneefrei. Allerdings steht dahinter eine riesige Schneewächte. Nehme ich halt die, um in den perfekten Wind zu starten.
Ich versuche noch zum Dachstein zu fliegen, muss aber vor einem dunklen Cirrostratus-Feld flüchten. Zurück am Stoder soart es. An der benachbarten Klammspitze auch.
Nach zwei Stunden Genussfliegen über dem Ennstal sehe ich die ersten Lenticularis-Wolken.
Ich steche runter zum Landeplatz zu einer ruppigen Landung. Meine Frechheit muss ich nun mit 10 km Wanderung zurück zum Parkplatz büssen. Dabei kann ich die größten Steinschlag-Brocken von der Fahrbahn rollen. Erst vor der letzten Kehre kommt ein Motorradfahrer. Es ist der örtliche Flugschulbetreiber, bewaffnet mit Firngleitern zu einem Abendspaziergang. Ich bekomme ein nettes Schwätzchen.
Am nächsten Tag, zurück am Tegelberg, bin ich unter der Wettersauerei durch und kann endlich den Vertigo fliegen.
Meine Mission „Fliege jeden Tag“ ist aufgegangen, mit über zwei Stunden Airtime täglich. Und ich habe weniger Kilometer auf dem Tacho, als wenn ich nach Greifenburg gefahren wäre.
WinDfried (13. - 18. April 2009)