Das Weinschiff
von Neumagen
Nanu, das ist eine Fliegerseite und nun sind hier Schiffe abgebildet?

Das hat doch mit Drachenfliegen fast so wenig zu tun, wie Gleitschirme ?!

Neumagen/Dhron an der Mosel aber ist ein Brennpunkt der Drachenfliegerei
in Deutschland. Und darüber habe ich hier schon sehr häufig berichtet.

Heute war ich wieder dort und habe einen Abgleiter durch stehende Herbstluft,
mit Bilderbuchstart und stehender Landung bekommen. So konnte ich meine
Ausstattung fürs Ski & Flieg probieren (Funfex, Kniehänger mit Retter, Packsack
um den Körper als zusätzlichen Kälteschutz). Das Weinlaub ist schon bunt
und der einzige Strahl Sonne des Tages hat mich beim Abbauen auf dem Lande-
platz erreicht. Vor kurzem lernte ich dazu, dass der Startplatz hier offiziell
"Am Fuchsberg" heißt. Bei der Wanderung zurück zum Startplatz sehe ich
keinen einzigen Fuchs, dafür aber Spuren von zahlreichen Wildschweinen.

Diesmal bleibt Zeit für Kultur und um den Talort mal genauer zu besichtigen.
Nicht alles, was sehenswert ist, kann man aus der Luft erkennen. Im Hotel Anker (sic!)
mit Blick auf die Mosel treffen sich diejenigen Drachenpiloten, die sich deftige gehobene
Gastronomie nach dem Fliegen leisten wollen. Wenige Schritte oberhalb im hübschen Ortskern
steht das berühmte Neumagener Weinschiff. Genauer gesagt steht hier eine leicht vergrößerte Kopie.

Das Original findet sich im Trierer römischen Landesmuseum. Die Skulptur war ursprünglich
Teil eines Grabsteins für einen römischen Händler. Als die damalige Siedlung und Handels-Station
Noviomagus treverorum später eilig gegen die zunehmenden Übergriffe der barbarischen Germanen
befestigt werden musste, hat man die Steine von alten Gräberstätten abgeräumt und als Baumaterial
für die Kastellmauern verwendet. Die wurden dann Anfang des 20. Jahrhunderts ausgebuddelt
und so die antiken Kunst-Schätze gehoben.

Auch dem Dichter Ausonius sind ein Hain und eine Skulptur gewidmet.
Hat er doch in seiner Reise-Dichtung Mosella die Schönheit der "Ausblicke auf die dem Bacchus
geweihten Hänge um die Station Noviomagus" gelobt. Damit hat er den Weinbau dokumentiert
und zugleich die erste urkundliche Erwähnung des Drachenflieger-Paradieses niedergeschrieben.
Das war Anno 364 n. Chr., als die Römer und ihr Reich, trotz kultureller und zivilisatorischer
Überlegenheit, schon am Untergehen waren. Für den Fall des Drachenflugsports glaube ich
ja nicht an eine ähnliche Zukunft :-). Geflogen sind die Römer jedenfalls ganz sicher nicht.
Daedalos und Icaros waren alte Griechen. Dass der Spanier Armen Firman, arabisiert Abbas
Ibn Firnas, 875 n. Chr. bei Cordoba zwei mehr oder weniger erfolgreiche Flugversuche
unternommen haben soll, an deren Folgen er später verstarb, glaube ich eher nicht.
Das ist wohl einer der zahlreichen Fälle islamistischer Geschichtsklitterung.

Um das Weinschiff entspinnt sich auch ein Gelehrtenstreit. Sicher
erwiesen ist, dass die Römer schwere Güter auch auf Wasserstraßen getreidelt
oder gestakt haben. Dazu wurden aber Flachboote mit wenig Tiefgang verwendet.
Das abgebildete Weinschiff mit nur einem Meter Tiefgang und so großen Weinfässern
obendrauf wäre aber zum Kentern verurteilt. Es ist ein Produkt künstlerischer Freiheit !
Im Übrigen ist der dargestellte Schiffs-Typ eher eine Galeere mit Rudern, wie sie
auf dem Meer als Militär- und als Reiseschiffe unterwegs waren. Die hätten
auf dem Rhein wenig, auf der Mosel kaum Chancen gehabt zu manövrieren.

Andere kluge Leute glauben schon, dass auch umgebaute
alte Militärschiffe für Transportzwecke im Einsatz waren.
Wie auch immer ... Heutige findige Gewerbetreibende haben so eine Holzgaleere nachbauen lassen.
Weinselige Touristen können sich mit Dieselpower über die Mosel schippern lassen und nur vielleicht
nachfühlen, wie es den Galeerensklaven ergangen ist, die damals die Ruder pullen mussten.
Für die neue Attraktion gibt es heute ein Fest. Das habe ich schon aus der Luft
gesehen und bekomme sie nun noch vor die Linse.

Vielleicht bringt den Trierer Drachenfliegern
das ja noch ein paar Zuschauer und Interes-
sierte mehr an den Lande- oder Startplatz.
Ventus pacis (Mittwoch 3.10.2007)